Geschichte des Leineschlosses

Der Portikus des Leineschlosses

Die Anfänge: das Leineschloss 1637 bis 1866

1637 – Fachwerk

Die Geschichte des Leineschlosses beginnt in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648): 1637 waren die Mittel von Herzog Georg von Calenberg äußerst begrenzt. Er konnte lediglich den Bau einer kleinen Residenz stemmen; das von ihm errichtete "Leineschloss" in Hannover war ein schlichter Fachwerkbau. Aber schon unter seinem Nachfolger, dem kunstsinnigen Herzog Johann Friedrich, begannen die "standesgemäßen" Umbauten. Bis 1689 entstanden auf dem Schlossgelände ein Kloster, ein Hoftheater und ein Opernhaus, das – ganz aus Holz gebaut – zu den prächtigsten in Europa zählte. Dass Johann Friedrich den Leipziger Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz als Ratgeber an seinen Hof holte, machte Hannover schlagartig zu einem Zentrum für Wissenschaft und Kultur.

1714 – König Georg I. von England

Im 18. Jahrhundert, nachdem Kurfürst Georg Ludwig 1714 zum König Georg I. von England gekrönt worden war, traf sich der europäische Hochadel in Hannover. Diese Jahre, in denen auch der Komponist Georg Friedrich Händel mehrfach im Leineschloss gastierte, waren die Zeit der größten Prachtentfaltung. Mit der Besetzung und Plünderung durch französische Truppen im Jahr 1803 begann die Verwahrlosung des Leineschlosses. Die Besatzer schenkten das Gebäude der Stadt Hannover mit der Auflage, es zu einer Kaserne für 3.000 Soldaten umzubauen. Erst mit dem Ende der napoleonischen Herrschaft endete die militärische Nutzung.

1817 – Umbau

Der Wiener Kongress 1814/1815 gab Europa eine politische Neuordnung und dem Königreich Hannover eine "Allgemeine Ständeversammlung", in deren Geschäftsordnung erstmals der Begriff "Landtag" auftauchte. Die Ständeversammlung tagte in den ersten vier Jahren ihres Bestehens im Leineschloss. Doch schon 1837 sollte König Ernst August von Hannover diesem ersten, zaghaften Ansatz von Demokratie ein Ende bereiten, indem er die Ständeversammlung auflöste. Sieben Göttinger Professoren protestierten gegen diese Entscheidung – vergeblich. Ernst August jagte die "Göttinger Sieben" aus ihren Ämtern und drei von ihnen sogar aus dem Land. Im Jahr 1817 begann der Umbau des Leineschlosses durch den Hofbauverwalter Georg Ludwig Friedrich Laves, der später als einer der bedeutendsten Architekten des Klassizismus berühmt wurde. Ihm verdankt das Gebäude seinen prägenden Portikus an der Leinstraße und den vorspringenden Wintergarten am Leineufer, der heute der Landtagspräsidentin als Arbeitszimmer dient. 1856 verzichtete König Georg V. auf den weiteren Ausbau und ließ stattdessen das Welfenschloss errichten, heute Sitz der Universität Hannover. Architektonisch unvollendet wurde das Leineschloss 1862 erneut zur Heimstatt parlamentarischer Gremien, die sich aus der Ständeversammlung entwickelt hatten.

Verfall und Zerstörung: das Leineschloss 1866 bis 1945

1866 – Preußischer Adler

Nachdem das Königreich Hannover an der Seite Österreichs 1866 den Deutschen Krieg verloren hatte, wehte der preußische Adler über dem Leineschloss. Das Gebäude wurde Sitz der preußischen Provinzialverwaltung, dessen Oberpräsident im Kammerflügel einzog. Ab 1871 wohnten die deutschen Kaiser im Leineschloss, wenn sie die Provinzhauptstadt besuchten. Doch die "Kaiser-Appartements" verwaisten, als der letzte deutsche Monarch nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ins Exil floh.

1921 – Armenküche

1921 "verlieh" der preußische Staat das Gebäude für 100 Jahre an die Stadt Hannover zur kostenlosen Nutzung. Anstatt – wie ursprünglich geplant – mehrere Museen im Leineschloss unterzubringen, sah sich die Stadt Hannover genötigt, etwas für die unter Inflation und Arbeitslosigkeit leidende Bevölkerung zu tun. Sie vergab das Erdgeschoss an die Volkswohlfahrt, die dort eine Kantine mit Wärmehalle einrichtete.

1936 – Heeresgedenkstätte

1936 eröffneten die Nationalsozialisten im Schloss eine Heeresgedenkstätte und betrieben in den Räumlichkeiten ideologische Kriegsvorbereitung. Darüber hinaus begingen die Nationalsozialisten Feiern und Empfänge im historischen Schloss. Dabei hinterließen sie in den Festsälen schwere Schäden.

1943 – Zerstörung

Am 26. Juli 1943 – um 12:05 Uhr – zerstörten Brandbomben bei einem Luftangriff amerikanischer B-17-Bomber in nur zehn Minuten das Leineschloss fast vollständig. Vermutlich an über 100 Stellen getroffen, brannte das Gebäude mit Ausnahme des Kammerflügels bis auf die Grundmauern nieder. In der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 1943 beschädigte die Druckwelle einer Luftmine die Ruine erneut und traf vor allem den Portikus schwer. Übrig blieb, wie der Historiker Georg Schnath formulierte, ein "...todwundes Denkmal einstiger Größe, eine stumme Anklage gegen den Wahnsinn der Zerstörung und eine fordernde Mahnung an die Überlebenden". Mit der Trümmerräumung wurde noch zu Kriegszeiten begonnen. Der Kammerflügel erhielt gegen die Witterungseinflüsse ein Notdach. In den Nachkriegsjahren bis zum Wiederaufbau bezogen hier mehrere hannoversche Firmen ihr Notquartier.

Demokratische Herzkammer: das Leineschloss nach 1945

1946 – Niedersachsen

Am 1. November 1946 gründete die britische Militärregierung mit der Verordnung Nr. 55 aus den ehemals selbstständigen Ländern Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe das heutige Bundesland Niedersachsen. Hannover wurde Landeshauptstadt. Das Parlament, der Niedersächsische Landtag, fand im "weißen Saal" der hannoverschen Stadthalle eine provisorische Unterkunft. Dort saßen die Abgeordneten in großer Enge. Zudem fehlten Tribünen für Presse und Publikum und es gab kaum Nebenräume für die Arbeit der Abgeordneten, Fraktionen und Ausschüsse.

1949 – Rückkehr

Durch den Beschluss im Juni 1949, auf das städtische Nutzungsrecht am Leineschloss zu verzichten, machte der Rat der Stadt Hannover den Weg frei für die Unterbringung des Landtages an historischer Stätte.

1962 – Fertigstellung

Nach einigen Jahren wurde deutlich, dass ein Auf- und Umbau des Leineschlosses notwendig war. Den 1954 ausgeschriebenen Wettbewerb gewann der hannoversche Architekt Dieter Oesterlen. 1956 entschied der Landtag, das Leineschloss nach Oesterlens Plänen auf- und umbauen zu lassen. 1957 begannen die Bauarbeiten und am 11. September 1962 wurde das wieder erstandene Leineschloss feierlich seiner Bestimmung übergeben.

Verstetigung und Zukunft: das Leineschloss nach dem Wiederaufbau

1960er – Historie und Moderne

Die wertvolle historische Bausubstanz konnte in der Außenansicht bis heute erhalten werden. Im Innenbereich wurde das Schloss aber nach rein funktionellen Gesichtspunkten der 1960er-Jahre gestaltet. Wo einst das Schlossopernhaus stand, wurde der Plenarsaaltrakt nach den Plänen des Architekten Oesterlen errichtet. Der Platz neben dem Plenarsaal erinnert mit seinem Namen „Platz der Göttinger Sieben“ und dem darauf stehenden Denkmal an die sieben Göttinger Professoren, die gegen die Aufhebung des Ständegesetzes begehrten. Zahlreiche Sitzungssäle für die Ausschüsse des Landtages und etliche Abgeordnetenbüros befinden sich in den Flügeln des Hauses, die den westlichen Innenhof umgeben. Weitere Räumlichkeiten befinden sich im sogenannten Erweiterungsbau, der dem Landtag seit Mitte der 80er-Jahre zur Verfügung steht. Haupt- und Erweiterungsgebäude sind durch einen unterirdischen Gang verbunden.

2017 – Neugestaltung

Der in den Jahren 1957 bis 1962 entstandene Plenarsaalbereich des Niedersächsischen Landtages – insbesondere der Plenarsaal selbst – entsprach nicht mehr den funktionalen Anforderungen eines Landtages und dem Anspruch, seine parlamentarische Arbeit transparent zu gestalten. Auch hatte er in Teilbereichen starke bautechnische Mängel. Zudem war ein barrierefreier Zugang nicht möglich. Aus diesen Gründen erfolgte in den Jahren 2014 bis 2017 eine umfassende Um- bzw. Neugestaltung des Plenarsaalbereiches. Weitere Informationen zur Neugestaltung des Plenarsaalbereichs finden Sie hier.