Auf den Spuren der Geschichte Niedersachsens und der Demokratie
Sommerreise der Landtagspräsidentin
2. September 2021
4. Station: Neue Heimat Wolfsburg? Die Geschichte der italienischen Gastarbeiter
Einen Koffer hält er unter dem Arm, der andere steht vor ihm: Das lebensechte Bronze-Denkmal vor dem Hauptbahnhof in Wolfsburg erinnert an die italienischen Gastarbeiter. 37.000 kamen seit Januar 1962 im Zuge des Anwerbeabkommens mit leichtem Gepäck und großen Hoffnungen in die Stadt. Doch die glückliche, erfolgreiche Zukunft blieb zunächst vielen verwehrt. „Auf sie wartete ein Dasein am Rande, eines im Baracken-Lager, ein berufliches Engagement auf kurze Zeit. Zudem mussten sie Widerstände, Benachteiligungen und Vorurteilen begegnen“, sagt Landtagspräsidentin Dr. Gabriele Andretta bei ihrem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Wolfsburg. Nur 5.500 der italienischen Gastarbeiter blieben und bauten sich ein neues Leben auf.
Heute sind Wolfsburger mit italienischen Wurzeln Teil der Stadtgesellschaft. Sie nehmen wichtige Positionen in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Ehrenamt ein. Was heute als Erfolgsgeschichte gilt, war ein schwieriger Weg. Einzelne Spuren dieser Geschichte macht das Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation sichtbar und erlebbar, so mit dem „Audiowalk Wolfsburg – eine Migrationsgeschichte“. Deren Leiterin Anita Placenti-Grau zeigt der Landtagspräsidentin zwei der Stationen. Sie begleitet unter anderem der Zeitzeuge und Ehrenbürger Rocco Artale. Er selbst lebte als einer der ersten im „Italiener-Dorf“: Volkswagen hatte damals Unterkünfte aus Holzhäusern für die Arbeiter errichtet und umzäunt. Mit mehreren Männern teilte Artale 13 Quadratmeter, Privatsphäre gab es nicht. Außerhalb erfuhr er Ablehnung: In der Stadt verweigerten einige Lokale Italienern den Zutritt. Gegen die Tristesse half Lupo Martini, der erste von Gastarbeitern in der Bundesrepublik Deutschland gegründete Sportverein und das Centro Italiano.