Landtagspräsidentin besucht Oldenburg
Gedenkkreis Wehnen erinnert an Psychiatrieopfer
Das kleine Backsteinhaus am Beginn des Klinikgeländes der Karl-Jasper-Klinik vor den Toren Oldenburgs steht für eine düstere Vergangenheit im Nationalsozialismus und den ersten Nachkriegsjahren: Hier wurden Patienten der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Wehnen aufgebahrt und seziert. Viele von ihnen starben eines grausamen Todes: Sie waren verhungert, weil sie kaum oder minderwertige Nahrung erhielten. Der Historiker Dr. Ingo Harms hat das Schicksal der „Hungermorde“ recherchiert. Der Gedenkkreis Wehnen gibt dieses Wissen an Besucherinnen und Besucher der Gedenkstätte weiter – ehrenamtlich. Landtagspräsidentin Dr. Gabriele Andretta war nach Wehnen gereist, um diese Arbeit kennen zu lernen.
Sie knüpfte an ihre Gedenkstättenbesuche während ihrer Sommerreise an. Und an die Frage, wie eine Erinnerungskultur der Zukunft aussehen könnte, die auch die junge Generation annimmt. Harms betonte, sie wollten Jugendliche anregen, sich selbst mit den Biografien der Opfer zu beschäftigen. Dazu dienen weinrote Mappen mit den Lebensläufen und Fotografien der in Wehnen ums Leben gekommenen Männer, Frauen und Kinder. Nach Harms Schätzungen starben während der NS-Zeit mehr als 1.500 Patienten wegen Unterernährung, Vernachlässigung und fehlender medizinischer Versorgung. Dies sei Teil nationalsozialistischer Politik gewesen, die solche Kranken als „Ballast“, „unwertes Leben“, angesehen hätten.
Die Landtagspräsidentin dankte den Ehrenamtlichen: „Sie haben die Geschichten der Opfer für die nachfolgenden Generationen gesichert. Sie ermöglichen, dass wir erinnern und denen entgegen treten können, die diese dunkle Geschichte relativieren wollen.“ Harms habe eine wichtige und umfassende Pionierarbeit geleistet. Das Interesse an der Geschichte nehme nicht ab, berichtete der Historiker - im Gegenteil: Fast täglich erreichten den Verein Anfragen von Angehörigen, mittlerweile der Enkelgeneration. Die Nachfrage der Schulen und vieler anderer Organisationen nach Führungen sei sehr groß. All dies könne der Verein kaum bewältigen, es fehlten Räume und Personal. Die Pläne, die Gedenkstätte zu erweitern und eine hauptamtliche Kraft einzustellen, hätten sich bisher nicht verwirklichen lassen. Dazu ist nun ein neuer Vorstoß geplant.
Ein Blick hinter die Kulissen des Staatstheaters Oldenburg
„Kunst macht glücklich, ohne Kunst ist das Leben langweilig“, hat jemand auf einen Zettel geschrieben und ihn an das schwarze Brett vor der Kantine des Staatstheaters Oldenburg geklebt. Recht hat er oder sie, fand Dr. Gabriele Andretta bei ihrem Besuch hinter den Kulissen. Christian Firmbach, Generalintendant und Verwaltungsleiter Tillmann Pröllochs gaben der Landtagspräsidentin einen kurzen Einblick in die Proben der neuen Barockoper und zeigten ihr die renovierten Räume des Theaters. Dann ging es in die Werkstätten, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Theaters an neuen Bühnenbildern sägen, schweißen oder malen und neue Perücken oder Kostüme fertigen.
Die Landtagspräsidentin betonte nach ihrem Rundgang: „Kultur ist mehr als 'schön-zu-haben'. Theater sind wichtige Orte für die Demokratie." Dazu müssten sie sich öffnen – für neue, jüngere Besucherinnen und Besucher und erschwinglich sein. Generalintendant Firmbach berichtete von seinen Sorgen, dass ein Rechtsruck die Freiheit der Kunst gefährden könne. Ihr Stück über die Mordserie des früheren Krankenpfleger Niels Högel an den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst, habe ihnen Gegenwind eingebracht. Firmbach stellte einige Projekte für neue Besucherinnen und Besucher vor: So erreiche ihr „junges Staatstheater“ bereits 35.000 Jugendliche pro Jahr. Mit ihrem Ausweichquartier während des Umbaus, dem Theaterhafen am Südufer des Flusses Hunte, hätten sie anderes Publikum gewonnen. Die Sparte sieben biete regelmäßig Raum für neue Formate. Dank des Kulturtickets könnten Studentinnen und Studenten kostenlos die Vorstellungen besuchen und weitere Besucher mit geringerem Einkommen erhalten Ermäßigungen. Sie versuchten ein Programm zu bieten, was nicht belehre, sondern neugierig mache weitere Stücke anzusehen. Die Mischung komme an: Das Publikum habe ihr Angebot mit 83 Prozent Auslastung im vergangenen Jahr belohnt.
Große Geschichten mit kleinen Gesten – das Theater Laboratorium
Jeder, der das Theater Laboratorium in Oldenburg besucht, sieht: Dies ist ein besonderer, ja magischer Ort. In der ehemaligen Turnhalle von 1869 finden Lesungen, Sprechtheater und Konzerte statt. Im Eingang befindet sich ein großes Café mit historischem Kaffeehaus-Mobiliar, alles stand schon einmal an einem anderen Ort. Den Umbau zeichnete die Stadt Oldenburg 2010 mit dem Denkmalschutzpreis aus. Die künstlerischen Leiter Pavel Möller-Lück und Barbara Schmitz-Lenders begrüßten die Landtagspräsidentin Dr. Gabriele Andretta, führten sie zur Bühne und baten sie auf einem der Samtstühle im Publikum Platz zu nehmen. Möller-Lück holte eine lebensgroße Puppe auf die Bühne, die aussieht wie ein alter Mann mit zerfurchtem Gesicht und schütterem Haar. Der Schau- und Figurenspieler setzte sie behutsam auf den Stuhl neben sich. Die beiden unterhielten sich darüber, dass der alte Mann Worte vergisst. Die Sätze seien nur im Urlaub, beruhigte Möller-Lück den alten Mann.
Barbara Schmitz-Lenders steht meist neben ihm auf der Bühne. Zusammen erzählen sie große Geschichten mit kleinen Gesten. Die Ideen zu den Stücken, stammten aus ihrem eigenen Leben, erzählten sie der Landtagspräsidentin. Wie gehen wir mit Demenz um? Die Frage hätten sie sich und anderen gestellt. Die Stücke entständen vor allem auf der Bühne, beim Spiel. Andretta sagte beeindruckt nach der kleinen Aufführung: „Das ist Theater pur. Die Figuren ziehen einen in das Stück hinein, das ist es, was berührt." Sie freue sich, diesen Ort kennen gelernt zu haben.
Möller-Lück berichtete, Gäste würden sogar 150 Kilometer Anfahrt in Kauf nehmen, 62.000 seien es im vergangenen Jahr gewesen. Sie hätten es daher gewagt, sich zu erweitern: Sie übernahmen die ehemalige Limonadenfabrik nebenan und schufen eine weitere Bühne für neue Stücke und auch junge Figurenspieler, die sich ausprobieren wollen, falls sie eines Tages kürzer treten wollen.