Holocaust-Überlebender hält beeindruckende Rede im Plenum
„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“, zitierte Prof. Dr. Guy Stern den Dichter Bertolt Brecht. Der 97-jährige Holocaust-Überlebende richtete mahnende Worte an die Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages. Die Demokratie sei zart und zerbrechlich, es gelte sie gegen Hass, Antisemitismus und Nationalismus zu schützen. Die nachfolgende Generation trage keine Schuld am Holocaust, aber Verantwortung für die Zukunft.
Das betonte auch Landtagspräsidentin Dr. Gabriele Andretta, die ihn ins Hohe Haus eingeladen hatte: „Wenn wir 70 Jahre Grundgesetz feiern, dann sollten wir uns immer auch unserer Verantwortung bewusst sein, nicht vergessen zu dürfen.“ „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Diesen Satz hätten die Mütter und Väter des Grundgesetzes ganz bewusst an den Anfang gestellt. Nie wieder dürfe der Staat die Menschenwürde missachten, sich der Holocaust wiederholen. Dazu brauche es auch die Erinnerung – daher die Einladung an Prof. Dr. Stern als Zeitzeugen und als Mahner gegen den Antisemitismus.
Ein Video der Rede von Prof. Dr. Guy Stern finden Sie hier.
Stern wurde am 14. Januar 1922 als Günther Stern in Hildesheim geboren. Mitte der 1930er Jahre versuchten seine jüdischen Eltern die Familie vor nationalsozialistischer Verfolgung ins Ausland zu retten. Ein Onkel in den USA ermöglichte 1937 Günther Stern die rettende Einreise. Seine Familie deportierten die Nationalsozialisten ins Warschauer Ghetto und ermordeten sie dort sowie in Auschwitz. Guy Stern, wie er sich seither nannte, studierte in den USA deutsche Literaturwissenschaften, wurde 1963 zum Professor für Germanistik an verschiedenen amerikanischen Universitäten ernannt und ein international bekannter Forscher zur deutschen Exilliteratur. Er nahm den Kontakt zu seiner Geburtsstadt wieder auf – trotz all der schmerzhaften Erinnerungen. 2012 ernannte ihn der Rat der Stadt Hildesheim zum Ehrenbürger. Seit wenigen Wochen besitzt Stern wieder die deutsche Staatsbürgerschaft – die hatten ihm die Nationalsozialisten einst genommen.